Grafit in der Funkenerosion: wertvoll, aber herausfordernd | springerprofessional.de

2022-07-23 03:57:03 By : Ms. Ruby Liu

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21.07.2022 | Spanen + Trennen | Im Fokus | Online-Artikel

Grafit als Elektrodenwerkstoff für die Funkenerosion wird zunehmend bedeutend. Dennoch bleibt die Fertigung der Elektroden herausfordernd. Zerspanungswerkzeuge und Bearbeitungsstrategien bieten Optimierungspotenzial.

Nicht nur der abrasive Staub macht die Fertigung von Grafitelektroden zur Herausforderung

Wenn hochharte Werkstoffe wie Stähle, Hartmetalle oder Keramiken mikrometergenau bearbeitet werden sollen, ist die Funkenerosion ein Verfahren der Wahl. Unabhängig von seinen mechanischen Eigenschaften lässt sich ein Werkstoff mit der Funkenerosion unter äußerst geringen Prozesskräften und mit einer großen geometrischen Gestaltungsfreiheit bearbeiten. In Einspritzdüsen, medizinische Nadeln oder Turbinenschaufeln bringt das Verfahren Mikrobohrungen von bis zu 20 µm Durchmesser ein. Etabliert hat sich die Funkenerosion insbesondere auch in der Mikrobearbeitung von Stanz-, Präge und Spritzgussformeinsätzen.

Das Erodieren mit Elektroden aus Grafit ist im modernen Werkzeug- und Formenbau sowie in Maschinenbau und Medizintechnik eine unverzichtbare Technik geworden. Bei der Herstellung der Elektroden stellen sowohl der Werkstoff als auch die Formen, in die er gebracht werden soll, eine Herausforderung dar.

Die Funkenerosion funktioniert, wie im Kapitel Sonderverfahren (S. 967) im Dubbel beschrieben, nach dem elektrothermischen Prinzip: Werkzeugelektrode und elektrisch leitfähiges Werkstück befinden sich in einem Dielektrikum, in der Regel in Wasser oder Öl. Über Elektrode und Werkstück wird eine hohe Spannung angelegt, die sich anschließend entlädt. Durch die sehr hohen Temperaturen am Werkstück und durch die Wirkung der Funken wird die Werkstückoberfläche abgetragen. Im Prozess wird die Elektrode CNC-gesteuert mit hoher Positioniergenauigkeit zugestellt.

Aktuelle Entwicklungstrends in der Funkenerosion zielen auf noch höhere Oberflächengüten – heute werden bereits Rauheiten von Ra < 0,1 µm erreicht – und Bauteilgenauigkeiten. Gleichzeitig soll die Abtragrate gesteigert werden, wie Eckart Uhlmann im Kapitel Werkzeugmaschinen für die Mikroproduktion (S. 1226) schreibt. Dabei kommt es laut Uhlmann in erster Linie auf Fortschritte in Design und Fertigung der Werkzeugelektroden an, die heute vorwiegend aus Grafit, Kupfer und Messing hergestellt werden.

Insbesondere Grafit hat als Elektrodenwerkstoff in den letzten Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen, was in erster Linie Folge von Fortschritten auf dem Gebiet des Hochgeschwindigkeitsfräsens (englisch High Speed Cutting, HSC) ist, wie Rezo Aliyev und Bertram Hentschel im Kapitel Spanende Bearbeitung von stäubenden Werkstoffen im Buch HSC-Fräsen von stäubenden Werkstoffen schreiben. Grafit bleibt zum einen bis zu Temperaturen von 3000 °C im festen Aggregatzustand – bis 2500 °C verfestigt es sich sogar – und es ist hoch temperaturwechselbeständig. Elektrodengrafite lassen sich mit beschichteten Hartmetallwerkzeugen vergleichsweise leicht und mit Schnittgeschwindigkeiten von bis zu 3000 m/min komplex formen – in kurzer Zeit und zu relativ geringen Kosten.

Trotzdem birgt die Fertigung der Elektroden eine Reihe an Herausforderungen. Ralph Hufschmied beschreibt sie im Artikel Zerspanung ohne Späne in der Zeitschrift maschinenbau 2/22. Elektrodengrafite werden in verschiedenen Korngrößen angeboten, die je nach zu erodierendem Werkstoff sowie geforderter Fertigungsgeschwindigkeit und -genauigkeit ausgewählt werden. Korngrößen von 5 bis 8 µm eignen sich dabei für hohe Abtragleistungen, während Körner mit Durchmessern von bis hinunter zu 0,5 µm für das Herausarbeiten extrem feiner Details eingesetzt werden. Allerdings klassifizieren die führenden Anbieter ToyoTanso, Ibiden, Tokai, SGL, Mersen und Poco ihre Grafitwerkstoffe nicht einheitlich. In der Praxis weiß der Anwender dadurch oftmals nicht genau, welche Grafitkörnung er momentan tatsächlich unterm Werkzeug hat.

Eine weitere Herausforderung ist zudem der hochgradig abrasive Grafitstaub, der während der Bearbeitung entsteht und auf die Werkzeugschneiden wirkt. Das Unternehmen Hufschmied beschichtet seine Werkzeuge deswegen mit einer nanokristallinen Diamantschicht. Eine spezielle 4-Schneiden-Geometrie soll zudem den Schnittdruck verringern, wodurch das Werkzeug weniger oft gewechselt werden muss und wodurch es die Fertigung präziser Konturen erlaubt, beispielsweise konische Pins mit einem Durchmesser von 80 µm.

Auch das Unternehmen Fischer Werkzeug- und Formenbau hat gemeinsam mit Moldino Tool Engineering nach Lösungen für den hohen Werkzeugverschleiß bei der Funkenerosion und für eine höhere Maßhaltigkeit gesucht. Fischer setzt selbstproduzierte Grafitelektroden unter anderem für die Fertigung von Spritzgusswerkzeugen ein. Im Artikel Autonomes Grafitfräsen in der maschinenbau 4/21 berichtet Moldino von einem prozessorientierten Ansatz, mit dem die Wirtschaftlichkeit der Fertigung von Grafitelektroden erhöht werden sollte. Mit der sogenannten Production50-Methode hat das Unternehmen Bearbeitungsstrategien, Werkzeugauswahl und andere Fräsparamter der gut 16 m langen Fertigungszelle bei Fischer analysiert.

In der Folge konnte das Aufmaß beim Schruppen, dem ersten Prozessschritt, in einer Beispielanwendung stark verringert werden. Die Elektrode ist nach dem Schruppen damit bereits nah am Endmaß, bevor sie im zeitaufwendigeren Schlichten feinbearbeitet wird. Für das Schlichten können in dem optimierten Prozess nun Werkzeuge mit kürzeren Nutzlängen eingesetzt werden, wodurch sie steifer sind und genauer fertigen können. An einer Beispielelektrode konnten die beiden Unternehmen den Vorschub bei gleichbleibender Werkzeugstandzeit um den Faktor 3 erhöhen. Zugleich werden nun anstelle der zuvor sieben nur noch vier Werkzeuge für die Bearbeitung benötigt.

Die im Laufe eines Jahres in der „adhäsion“ veröffentlichten Marktübersichten helfen Anwendern verschiedenster Branchen, sich einen gezielten Überblick über Lieferantenangebote zu verschaffen.